Atemarbeit und Breathwork - mehr als Hype
Weisst du, was uns jeden Moment zusammenhält? Nicht Gedankenketten, nicht Pläne, sondern der Atem. Er begleitet uns vom ersten Schrei bis zum letzten Seufzer, ermöglicht uns zu sprechen, zu lachen, zu weinen - und sogar zu gähnen, zu husten oder zu niesen. Solange wir atmen, spüren wir Körperempfindungen, Emotionen, Gedanken, Wünsche und Zukunftshoffnungen. Ohne Atmen gäbe es keine Verbindung zwischen Körper und Seele. Kurz gesagt: der Atem ist das unsichtbare Band, das alles zusammenhält. Und doch machen wir uns kaum Gedanken darüber.
Wir atmen etwa 20´000 mal pro Tag. Im Laufe eines Lebens, bis ins hohe Alter, sind es rund 700 Millionen Atemzüge! In Kubikmetern ausgedrückt, haben wir bis dahin etwa 365.000 Kubikmeter Luft bewegt – eine beeindruckende Menge, die unser Leben erst möglich macht. Doch die meisten Menschen nutzen ihren Atem nicht als das, was er wirklich ist: ein Werkzeug zur Selbstheilung.
Was der Atem wirklich mit uns macht
Der Atem schlägt Brücken zwischen unseren Ebenen: Körper, Gefühl und Verstand. Durch ein tiefes, langsames Atmen aktivierst du den Vagusnerv, den grössten Selbstheilungsnerv deines Körpers. Er steuert deinen Herzschlag, deine Verdauung, deine Stimmung und ist der direkte Zugang zum parasympathischen System, dem Ort deiner Regeneration.
In der Naturheilkunde, im Yoga, in alten Klostermedizinen und in der modernen Neurowissenschaft ist klar: Bewusste Atmung verändert deinen Zustand körperlich, emotional und mental. Bewusster Atem aktiviert die gleichen Hirnareale wie Meditation, verbessert die Herzfrequenzvariabilität und hilft sogar bei chronischem Stress, Schlafproblemen oder hormonelle Dysbalance.
Bereits 3-5 Minuten bewusste, ruhige Atmung:
- senken den Blutdruck
- beruhigen deinen Puls
- regulieren dein Immunsystem
- lindern Angst, Unruhe und sogar Entzündungen
Doch so selbstverständlich der Atem erscheint, so ungreifbar und tiefgründig ist er zugleich. In vielen Kulturen und spirituellen Traditionen gilt der Atem als das Band, das Körper, Geist und Seele verbindet. In der hebräischen Bibel ebenso wie in den Sanskrit-Texten wird gesagt, dass der Atem göttlichen Ursprungs ist – eine lebensspendende Kraft, die uns mit dem Universum verbindet.
Der Atem trägt unsere Lebenskraft. Ohne ihn geht nichts: Wir können Tage ohne Nahrung oder Wasser überstehen, aber ohne Luft geht es schnell nicht mehr weiter. Das gilt nicht nur für Menschen, sondern für alle Lebewesen – Tiere, Insekten, sogar Mikroorganismen. Und doch merken wir es erst, wenn der Atem fehlt: sei es durch eine verstopfte Nase, eine Atemnot oder das Gefühl, „auszusetzen“.
So ging es plötzlich mir: Mein Atem stockte und ich schnappte regelrecht nach Luft. Ich bekam im Hochsommer 2019 die Diagnose einer akuten Asthma Bronchialis und wusste nicht genau, wie mir geschah.
Jeder Mensch trägt im Kern seines Wesens ein unverwechselbares Potenzial eigener Werte. Über den bewussten Atem können sie geweckt werden.
Der physiologische Blick auf den Atem
Der Atem ist ein komplexer Gasaustausch, bei dem Muskeln und Körper aktiv beteiligt sind. Dabei wird ein Gasgemisch ins Innere des Körpers gezogen und ein anderes wieder nach aussen abgegeben. Dieser Vorgang ist essenziell für unser Überleben.
Beim Menschen besteht die Luft, die wir einatmen, hauptsächlich aus Stickstoff, Wasserdampf und Edelgasen. Zusätzlich enthält die Einatemluft ein wenig Kohlendioxid (CO₂) und ein Drittel Sauerstoff (O₂). Beim Ausatmen verringert sich der Sauerstoffanteil, während das Kohlendioxid ein wenig steigt. Demzufolge werden bei der Ausatmung Gase ausgeschieden, die bei der Verdauung entstehen.
Der Sauerstoff gelangt durch die sogenannten Alveolen – die winzigen Lungenbläschen – ins Blut. Sie erlauben den Gasaustausch. Das Herz sorgt für den nötigen Druck, damit der Sauerstoff in alle Körperzellen gelangt. Über das Hämoglobin im Blut werden die Sauerstoffmoleküle in die 100 Billionen Zellen unseres Körpers transportiert. Dort findet die sogenannte zelluläre Atmung statt: Ein Oxidationsprozess, bei dem Energie und Wärme freigesetzt werden – vergleichbar mit dem Verbrennen von Holz.
Atem als Anker und Verbundenheit
Leben bedeutet also auch Wärme und Energie. Der Atem verbindet uns mit allem Lebendigen. Er ist das unsichtbare Band, das uns mit anderen Menschen, Tieren und dem Universum umgibt. Und gerade in der heutigen Zeit, in der wir oft im Stress und im Alltag gefangen sind, lohnt es sich, wieder bewusster auf den Atem zu achten. Im Atem liegt eine Kraft, die uns zentrieren, beruhigen und mit dem Hier und Jetzt verbinden kann.
Wie Atem und Emotionen zusammenarbeiten
Emotionen formen den Atem. Freude, Ärger, Angst – sie alle hinterlassen Spuren in unserem Rhythmus. In Experimenten konnte man beobachten, wie Musik unseren Atemrhythmus beeinflusst, je nachdem, ob uns die Musik gefiel. Damit wird klar: Wir atmen nicht nur durch den Körper, wir atmen auch durch unsere Beziehungen und Rollen. Diese Doppeldeutigkeit des Atmens ist älter als moderne Therapien.
Schamanen, Sufis, Mönche, Yoga-Praktizierende – alle nutzen Breathwork, weil sie erfahren haben, dass Atem unser Innenleben spiegelt und zugleich beeinflusst. Verändert man das Atemmuster, verändert sich entsprechend die seelische Lage.
Mein Körper ist Geist und Seele.Und der Atem ist seine Sprache.Ich höre den Ruf, mehr zu werdenund mehr zu sein.
Was Breathwork wirklich bedeutet
Atemarbeit bzw. Breathwork ist kein Allheilmittel, sondern ein Werkzeug der Selbstregulation. Die Wirkung hängt stark von Technik, Anleitung und Rahmenbedingungen. Der Trick besteht darin, das unwillkürliche Atemregime des vegetativen Nervensystems zu nutzen und gleichzeitig bewusst darauf zuzugreifen.
Wenn wir das Atemmuster ändern, verändern sich auch unsere Gefühle und Gedanken. Deshalb ist Breathwork heute so beliebt: Es gibt uns eine klare, direkte Methode, um Stress zu regulieren, Klarheit zu gewinnen und Präsenz zu üben. Für den Alltag lohnt sich eine regelmässige Praxis: 2–5 Minuten Atempausen im Tag lassen sich gut integrieren.
Wann hast du das letzte Mal bewusst auf deinen Atem geachtet?
So kannst du heute sofort damit beginnen: 1–2 Minuten tägliche Achtsamkeitsatmung: einfach hinsetzen, Augen schliessen, Luft wahrnehmen, beobachten und spüre wie die Luft ein- und ausströmt. Mach es bewusst drei bis fünf mal.
Sanfte Atemtechniken (je 4–6 Wiederholungen):
- Boxatmung: 4 Sekunden einatmen, 4 Sekunden halten, 4 Sekunden ausatmen, 4 Sekunden Pause.
- 4-6 Stockwerke-Atmung: 4 Sekunden Einatmen, 4 Sekunden Halten, 6 Sekunden Ausatmen, 6 Sekunden Pause. Langsam und gleichmässig.
Bodenkontakt: bei innerer Unruhe langsam weiter atmen, Hände auf Brust und Bauch legen, den Atem als Sensorik nutzen.
Ressourcenanker: während der Atmung eine sichere, positive Erinnerung (Ort, Person, Ort der Ruhe) innerlich aktivieren.
Nachsorge: 5–10 Minuten sanft aufrichten, Wasser trinken, kurze Notizen oder Gedanken festhalten.
Atemachtsamkeit
Der Atem hält die verschiedenen Ebenen unserer Existenz zusammen. Zudem hängt der Atem eng mit der Körperbewegung zusammen. Wenn wir uns aufrichten, strecken oder am Boden liegend mit den Füssen wippen, ändert sich die Atmung.
Bei Breathwork geht es oft gar nicht um Atemmanipulation, sondern erstmals wahrzunehmen, was jetzt ist – ob zum Beispiel der Atem kurz ist oder lang –, hilft uns den Weg zur Befreiung zu finden. Es geht also um eine Praxis der Achtsamkeit, die Wachheit und Bewusstheit verlangt.
Schlussendlich geht es immer um den Atem, egal, ob es sich um die Suche nach innerem Frieden, nach einem holistischen Wohlbefinden oder um Befreiung von Stress handelt.
Der Atem scheint viel mehr als nur einfacher Sauerstoff für unser Körper zu sein. Er ist ein Schlüssel, der uns zu unserer inneren Welt führen kann, zu unseren Bedürfnissen und ungenutzten Potenzialen. Durch bewusstes Atmen und durch Atemarbeit bzw. Breathwork können wir uns mit unserer Essenz, unserer Seele, verbinden.
Atemarbeit
Im Sommer 2019 schaffte ich es kaum den Berg hoch zu wandern. Ich bemerkte meine Not erst, als ich Wochen später im Bett nach Luft schnappte und in der Notfallstation landete. Das MRI zeigte einen komplett verschleimten Lungenflügel.
Später lernte ich in meiner Ausbildung am IKP die Atemarbeit nach Middendorf kennen. Diese praktische Methode stellt das eigene Erleben und die Vielfalt der unterschiedlichen Wahrnehmungen in den Vordergrund. Sie ist immer und überall anwendbar und in jeder Lebenslage und individuell auf jeden anpassbar. Bei Middendorf ist es unspektakulär verlässlich auch wenn nicht in den Marketing-starken Worten beschrieben, wie Achtsamkeit, Breathwork, Faszien, Resilienz oder Herzkohärenz.
Die Atemtherapie fasst verschiedene Verfahren der Alternativmedizin und Komplementärtherapie zusammen. Das Verbindende dieser Anwendungen liegt in der Überzeugung, dass der Atem am intensivsten mit allen Ebenen des Menschen (Körper, Geist und Psyche) verknüpft ist und dadurch mit der Arbeit am Atem auch jede Ebene des Menschen erreicht und harmonisiert werden kann.
Atemtherapie
Atemtherapeutinnen und -therapeuten arbeiten auf eine vielfältige Weise. Das kann im Stehen, im Liegen, im Sitzen und/oder auch mittels Massage sein. Manchmal werden Übungen durchgeführt oder man liegt auf einer Liege und muss selber gar nichts tun. Manche Therapeutinnen arbeiten mit Berührung, andere wiederum ohne. Bei einigen nimmt das begleitende Gespräch viel Raum ein, bei anderen liegt der Fokus auf dem Atem und sie sprechen nur das Nötigste. Es gibt zwei Hauptströmungen in der Atemtherapie:
- Einerseits der rein physiotherapeutische Ansatz. Diese Linie widmet sich dem mechanisch funktionellen Teil des Atemprozesses. Ihr Ziel ist das möglichst reibungslose Funktionieren der Atmung nach Atemwegserkrankungen.
- Die nicht-physiotherapeutische Atemtherapie bezieht dagegen die emotionalen und persönlichen Anteile mit ein und wirkt so auch persönlichkeitsbildend. Das Ziel der nicht-physiotherapeutischen Atemtherapie richtet sich auf die bewusste Wahrnehmung der Atmung, damit der natürlichen Atemrhythmus wiedergefunden und eine ausgeglichene Körperspannung wiederhergestellt werden kann. Zusätzlich fördert sie - durch die Erweiterung des körperlichen und seelischen Erlebens - auch die soziale Kompetenz und die persönliche Selbstsicherheit.
Je nach Atemschule zeigen sich Unterschiede im Fokus der Arbeit. So steht bei den einen Therapeutinnen die Schulung eines guten Atemprozesses im Vordergrund, bei anderen ist es die Stimmbildung oder das körperliche Wohlbefinden. Weitere haben das emotionale Wohlbefinden oder die Persönlichkeitsentwicklung im Auge.
Der Atem ist die Brücke, die das Leben mit dem Bewusstsein verbindet,die Brücke, die deinen Körper mit deinen Gedanken verbindet.wann immer dein Geist zerstreut ist, benutze deinen Atem, um die Verbindung wieder herzustellen.
Atemschulen
Es gibt verschiedene Atemschulen in Europa und der Schweiz. Die Atemtherapie wurde von verschiedenen Quellen beeinflusst, da viele körperorientiert arbeitende Fachleute (Psychologen, Gesangslehrerinnen, Tänzer, Sportlerinnen, Physiotherapeuten) früher oder später die Wichtigkeit des Atems erkannten. Gerne möchte ich dir drei davon vorstellen.
- Atemtherapie nach Ilse Middendorf (www.atem-middendorf.ch)
Ilse Middendorf entwickelte und unterrichtete die Methode vom "Erfahrbaren Atem". Ihr Fokus lag auf dem bewusst erfahrenen Atem, ohne dass dieser vom Willen oder Denken gesteuert wird. Dabei wird das Atemgeschehen nicht gelenkt oder forciert, sondern zugelassen. Dadurch können Entwicklungs- und Entfaltungsprozesse des Menschen ermöglicht und begleitet werden. Die Atemtherapie wird in verschiedenen Positionen durchgeführt und auch im Liegen am angezogenen Körper gearbeitet. Atmung, Bewegung und Wahrnehmung werden geübt. - Integrale Atemschulung nach Klara Wolf (www.atem-online.ch)
Die Schweizerin Klara Wolf-Bader war Tänzerin und entdeckte in den 1920-er Jahren die befreiende Wirkung des bewussten Atems. Daraus entwickelte sie ihre Lehre, welche zum Ziel hatte, sich selber zu finden und sich psychisch zu entwickeln. Durch ihre Atemarbeit soll der Mensch die Fähigkeit zur Selbstregulation erlangen und so seine Leistungsfähigkeit steigern können. Die Methode beinhaltet Wahrnehmungsübungen, das Bewusstmachen von Fehlhaltungen, die Wahrnehmung von eigenen Verhaltensmustern, das Beobachten der Atem- und Körperreaktionen in Ruhe sowie Übungen zur Reduktion von Spannungen. - Ganzheitlich-integrative Atemtherapie IKP nach Yvonne Maurer (www.ikp-therapien.com)
Yvonne Maurer war Turn- und Sportlehrerin, Fachärztin für Psychiatrie und Theologin. Die Atemtherapie, die sie gegründet hat, basiert auf der humanistischen Psychologie und betrachtet Körper, Geist und Psyche als untrennbares Ganzes. Um diesen Aspekt besser zu verdeutlichen, hat Yvonne Maurer das Konzept des Würfelmodells entwickelt. Die sechs Seiten des Würfels umfassen alle relevanten Dimensionen des menschlichen Seins (Körper, Geist-Psyche, Zeit, Raum, Soziales, Spirituelles). Die Ganzheitlich-Integrative Atemtherapie IKP beinhaltet nebst Atem- und Körperübungen, die manuelle Therapieformen auf der Liege (Atembehandlung auf dem bekleideten Körper, Atemmassage auf der Haut oder Faszientherapie), Meditations- und Entspannungselemente, Achtsamkeits-Anwendungen, die Arbeit mit dem Meridiansystem und die vokale Arbeit mit der Stimme.
Mein Angebot
Fühlst du dich oft gehetzt oder von deinen Gedanken überwältigt? Im hektischen Alltag verpassen wir oft, gut für uns selbst zu sorgen. Unser Gedankenkarussell dreht sich immer schneller, und die innere Ruhe scheint unerreichbar.
Es braucht nur wenig zeitlichen Aufwand, um immer wieder aus diesem Kreislauf auszusteigen. Achtsamkeitstechniken und dein Atem helfen dir dabei. Geeignet für Stressabbau, innere Blockaden, mehr Gelassenheit im Alltag. Breathwork ist kein Wundermittel. Wer gesundheitliche Bedenken hat, sollte die Kontraindikationen vorher abklären. Breathwork ersetzt keine medizinische Beratung.
Was dich erwartet
- Sanfte, transformative Atmung + behutsame Körperwahrnehmung
- Raum für Sicherheit, Respekt und eigene Grenzen
- Kurze Rituale vor, während und nach der Session
Heilung von Blockaden oder traumatischen Erinnerungen erfordern oft einen ganzheitlichen Ansatz. Die Regulierung des Nervensystems spielt dabei eine zentrale Rolle. Deshalb kombiniere ich Ansätze aus der Polyvagal-Theorie mit körperlichem Erleben (Somatic Experiencing). Sofern erwünscht arbeiten wir neben der körperlichen auf auf der kognitiven und emotionalen Ebene.
Mitbringen: bequeme Alltagskleider, warme Socken, ggf. Decke. Es sind keine Vorkenntnisse nötig.
Kursgrösse: Einzel- oder Kleingruppensessions (Paare möglich; max. 4 Teilnehmende). Die Anzahl der Teilnehmenden ist bewusst klein gehalten, damit auch der persönliche und individuelle Austausch möglich ist.
Terminbuchung: direkt via Kontaktformular, E-Mail oder per Telefon. Mehr Infos findest du hier Somatic Breathwork
Weitere Kursangebote findest du auf meiner Webseite unter Workshops.
Möge jeder Tag eine neue Chance bringen, zu wachsen, zu lernen und mit Freude voranzuschreiten.
Herzlichst,
Patrizia
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